Den Kilimanjaro besteigen
- Erinnerungen fürs Leben !!!
Ein Bericht von Mario Dobeck.
"Willkommen in Afrika" gratulierte mir mein Bergführer, nachdem wir
beinahe gleichzeitig mit der hinter dem Panorama des zerklüfteten Nachbargipfels
Mawenzi aufgehenden Sonne den höchsten Punkt des Kontinents - den Gipfel des Kilimanjaro
erreichten.
Trotzdem ich keinen Tropfen Alkohol während des sechsstündigen finalen Aufstiegs
zu mir genommen hatte, fühlte ich mich betrunken vor Glück, Freude und Mangel
an Sauerstoff - normal in einer Höhe von beinahe 6.000 Metern über dem Meeresspiegel.
Und würden die Temperaturen nicht bei etwa 20 Grad unter Null liegen, könnte
man den ganzen Tag hier oben verbringen, um die traumhaft schönen riesigen Wände
der vom Morgenrot eingefärbten Eisgletscher zu bestaunen.
Der Kilimanjaro ist möglicherweise der höchste Punkt der Erde, welchen man
ohne eine extrem teure Bergsteigerausrüstung oder weitreichende Erfahrungen in
diesem Sport erreichen kann. Die einzige, aber auch überaus wichtige Frage, welche
man sich stellen muss, bevor man eine solche Tour plant: Bin ich in einer stabilen
körperlichen Verfassung ohne chronische Kreislaufbeschwerden oder Atmungsprobleme?
Ich selbst hatte nie über die Möglichkeit aufkommender Höhenkrankheit
nachgedacht, bis mich bereits am zweiten Tag Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindelgefühle
mit voller Wucht trafen. Aber dies wurde mir im Vorfeld angekündigt und ist völlig
normal - jeder Körper benötigt eine gewisse Zeit, sich an die veränderten
Verhältnisse zu gewöhnen. Mit der entsprechenden Physis sind diese Beschwerden
schon am nächsten Morgen verschwunden und man wird für alle Mühen mehr
als belohnt. Die Natur um einen herum präsentiert sich mit Blumen und anderen
Pflanzen, die man weltweit nur an den Hängen dieses Berges finden kann und die
so fremd aussehen, als würde man Millionen von Jahren in der Zeit zurück
versetzt sein. Und ein am Morgen noch tief unter Dir zwischen den Felsen eingebettetes
Wolkenmeer steigt täglich in den Nachmittagsstunden aufwärts, um mit der
Eiskappe des stets so nah erscheinenden, aber dennoch fernen Gipfels zu spielen.
Die Ausrüstung, welche man für eine solche 6-8 tägige Tour benötigt,
besteht grundsätzlich aus warmer und wasserfester Outdoorkleidung, Schlafsack,
Bergschuhen, Hiking-Stöcken als auch aus UV-sicherer Sonnenbrille und -lotion
zum Schutz vor der am Berg so aggressiven Sonneneinstrahlung. Dicht verschließbare
und leicht transportierbare Wasserflaschen sollten ebenfalls nicht vergessen werden.
Das gesamte geplante Equipment sollte bereits vor Start aufgeteilt werden in einen
maximal 5 kg schweren Daypack, welchen man den ganzen Tag selbst bei sich führt
und welcher nicht beim Laufen behindern sollte sowie dem restlichen Gepäck, welches
man lediglich in den Abend-/Morgenstunden im Camp benötigt. Dieses wird von einem
lokalen Träger transportiert, der vom Tour Operator gestellt wird. Jedoch liegt
dessen maximales Tragegewicht bei kontrollierten 20 kg - bringt jemand mehr Gepäck
mit sich, wird dieses auf zwei Träger verteilt - die man auch beide bezahlen muss.
Was die Auswahl der mitzubringenden Kleidung angeht, sollte man sich neben möglichem
schwerem Regen auf eine Temperaturspanne von bis zu 50 Grad einstellen - um die 30
Grad am ersten und letzten Tag im feuchtheißen Regenwald, nahezu Bodenfrost in
allen Nächten und arktische Temperaturen am Gipfel. Zelte, Nahrung und Gas fürs
Kochen wird vom Tour Operator gestellt und von dessen Trägern den Berg hinauf
gebracht. Man kann davon ausgehen, dass auf einen Touristen etwa 3-4 Träger plus
ein Bergführer mit Assistent und Koch für alle geplant werden.
Eine wichtige Bemerkung zum Thema Trägermannschaft, derer man sich bei der Planung
der Reise bereits bewusst sein muss - jeder Träger erwartet am Ende der Tour,
in der Regel am letzten Tag vor dem Abstieg, ein "Trinkgeld". Dieses ist
aber nicht zu verstehen als der Gegenwert für einige Bier - tatsächlich erwartet
ein Träger im Schnitt acht US-Dollar pro Tag (der Bergführer entsprechend
mehr). Bei einem Team von 13 Personen, welche 3 Touristen über acht Tage betreuen
(dies war der Fall bei mir), macht dies schon einige hundert Dollar pro Person, welche
man mit sich führen sollte. In einigen Fällen wird man gefragt werden, ob
man einen Teil seiner Ausrüstung statt Geld hinterlässt - diese Entscheidung
liegt bei jedem Einzelnen.
Es gibt mehrere Trails auf dem Weg zum Uhuru Peak - dem höchsten Punkt auf dem
Kraterrand. Die Entscheidung sollte anhand zweier Kriterien getroffen werden: die Zahl
anderer Gruppen, welcher man täglich auf dem Berg begegnen will und der Schwierigkeitsgrad.
Der leichteste, aber auch bestbesuchte Weg - die Marangu-Route - wird auch der "Coca-Cola-Trail"
genannt, während man über die durchaus anspruchsvolle, aber auch relativ
einsame Machame-Route stolz vom "Whiskey-Trail" spricht. Beide sind letztendlich
für einen körperlich gesunden Menschen machbar.
Das Einzigartige beim Besteigen des Kilimanjaro ist, dass man innerhalb von wenigen
Tagen eine große Bandbreite von Vegetationszonen durchwandert. Beginnend im afrikanischen
Regenwald mit riesigen lianenbehangenen Bäumen und seltenen Blumen wechselt man
in ein Gebiet von moos- und farnbegrüntem Unterholz, um über pflanzenarme
riesige Vulkanaschefelder und der Mondoberfläche ähnelnden Hängen übersät
mit Lavabrocken ins arktische Eismeer oberhalb der 5.000 Meter-Grenze zu steigen. Dies
zusammen mit dem Erlebnis, die am Fuße des Berges lebenden Menschen in ihren
Gewohnheiten und Bräuchen kennen zu lernen - bedeutet wahrhaft "Afrika zu
leben". Und allein der Gedanke an die wundervolle nächtliche Stille im Barranco
Camp, beim Blick auf die Lichter von Moshi-Town tief unten, dem mit den Felsspalten
spielenden Wind zu lauschen, ist Belohnung genug für die Anstrengungen mit einem
großen Profit für die eigene Seele.
Und für den, der noch nach einer geeigneten Basis am Fuße des Berges, aber
außerhalb der quirligen Stadt Moshi-Town sucht und dabei Wert darauf legt, wann
immer es ihm beliebt, bei einem Cocktail oder Bier von seinem Liegestuhl aus die schneebedeckte
Queen Afrikas zu beobachten, gleichzeitig sich von einer afrikanischen Dorfgemeinschaft
aufgenommen zu fühlen, als würde man diese Menschen schon seit Jahrzehnten
kennen, dem sei die Honey Badger Lodge von Mrs. Lucy Renju in Msaranga Village
empfohlen - wir hätten uns niemals besser entscheiden können.
Mario Dobeck, Gipfel Februar 2007
Bilder, Text und englische Übersetzung von Susanne und Mario Dobeck.
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